Wir könnten genauso gut tot sein

Trotz einer surrealistischen Endzeitstimmung fühlt sich der Eröffnungsfilm von Linda Söffkers letzter Perspektive Deutsches Kino, "Wir könnten genauso gut tot sein", sehr heutig und wie ein satirischer Kommentar auf großstädtisches Leben an. Guter Wohnraum ist knapp. Wer in den Gebäudekomplex von Sicherheitschefin Anna (Ioana Iacob) aufgenommen werden will, muss nicht nur die besten Referenzen haben, sondern auch bei der Besichtigung vor Ort bestens angezogen performen. In großer Runde fällt dann die Hausgemeinschaft die Entscheidung über das Schicksal der Familie, ob sie in den Turm ins Nirgendwo ziehen darf oder weiter in den Wäldern herumirren muss. Draußen herrscht das Chaos, drin gibt es strenge Regeln und Richtlinien. So lange man sich auf der Seite der Richtigen wähnt und die Regeln selbst durchsetzt, ist alles gut. Aber als Anna wegen eines dummen Zufalls selbst in die Mühlen des Systems gerät, landet sie schnell als Unruhestifterin auf der schwarzen Liste. Der Film wechselt von der surrealen Satire recht schnell in ein Bedrohungsszenario für die Protagonistin, die alleinerziehend auch mit der eigenen Tochter (Pola Geiger) zu kämpfen hat. Denn die glaubt, den "bösen Blick" zu haben und Menschen durch ihre bloße Anwesenheit Unglück zu bringen. Deswegen hat sie sich ins Badezimmer zurückgezogen, das sie nie verlässt. Essen oder andere Gegenstände werden ihr von der Mutter durch eine Luke gereicht, maximal sieht das Publikum lange Zeit nicht mehr als eine Hand oder einen Arm der Tochter. "Wir könnten genauso gut tot sein" ist Natalia Sinelnikovas Abschlussfilm an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und ihr Langfilmdebüt als Regisseurin, das vor allem ästhetisch einen großen Stilwillen zeigt. Die Figuren sind dagegen häufiger in ihrer Komplexität noch nicht ganz ausgereift. Dafür entdeckt man Jörg Schüttauf und Susanne Wuest in Nebenrollen als unsympathische Nachbarn. Und die unkonventionell spielende Hauptdarstelllerin Ioana Iacob trägt durch die Geschichte, die immer düsterer wird."

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AB 12 JAHREN / 97 MINUTEN
Filmplakat des Films Wir könnten genauso gut tot sein